Die nach rund sechzig Minuten Matchdauer gestellte Frage nach dem Triumphator des Kreisliga A – Rückrundenauftakts zwischen dem Favoriten SV St. Stephan und Underdog RSV Germania 03 drängte die Zuschauer auf dem schmucken Klubgelände im Griesheimer Stadtteil zu einer Fifty-Fifty – Antwort. Umso unglaublicher, dass eine gute halbe Stunde später die desillusionierten Kicker des Rasensportvereins mit einer 3:12-Packung vom Kunstrasengeläuf trotteten.

Schon der Halbzeitscore sorgte für Aufsehen. Die Germanen konterkarierten beim ausgewiesenen Angstgegner alle negativen Prognosen und ergatterten dank drei optisch herrlichen Treffern einen durchaus verdienten 3:3-Pausenstand. Auch zu Beginn der zweiten Hälfte funktionierten (noch) die Parolimaßnahmen. Erst als auch der SVS eine Bude Marke „Tor des Monats“ erzielte, stürzte der blau-weiße Damm ein. Spätestens nach der eine rote Karte nach sich ziehenden Undiszipliniertheit von Keeper Tawfik Tammie Atie brach das  Defensivkartenhaus endgültig zusammen. Durch die sich nun löchrig wie ein eidgenössischer Käse präsentierende Abwehr schlüpfte St. Stephan quasi im Minutentakt wie schon vor einem Jahr (13:1) zum zweistelligen Dreier gegen das die ordentliche Performance der ersten Stunde auf die Müllkippe transportierende Tabellenschlusslicht.

Schon der Eröffnungsreigen des Einschweißstakkatos war das Eintrittsgeld wert. Dhurgham Albouhuseinsray zimmerte den Ball per Seitfallzieher unhaltbar in den Giebel. Nach der Führung leistete sich die Germania einen siebenminütigen Blackout, den die Hausherren im Format von drei Einschlägen weidlich auskosteten. Zwei Tore gingen auf das Konto von Philipp Root, der anscheinend gegen den Rasensportverein immer „on fire“ ist. Der letzjährigen A-Klassen – Topkanonier verbesserte seine persönliche Bilanz dadurch auf sechzehn Einlochungen aus den jüngsten fünf Vergleichen mit der Germania, die allerdings ihre kassierten Rückschläge verblüffend adrett aus den Klamotten schüttelte.

Während der Schlussphase von Durchgang Eins übernahm Daniel Conrad die Hauptrolle. Der bullige Frontstürmer verlängerte zunächst eine butterweiche Hereingabe von Barati gefühlvoll über die Linie und trommelte eine Minutendekade darauf die Pille mit aller Urgewalt volley zum unerwarteten, aber keineswegs ungerechten Interimsresultat in den Knick. Ex-Germane Maxwell Kögler im SVS-Gehäuse hatte bei allen drei makellos ins Ziel programmierten RSV-Goals nicht den Hauch einer Paradenchance.

Auch nach dem Seitenwechsel war zunächst kein bewegender Leistungsunterschied auszukundschaften. Beide Fraktionen machten für die jeweilige Vorsprungsjagd mächtig Betrieb. Lediglich der zuweilen überfordert wirkende Schiedsrichter hemmte den Spielfluss. Mit seinen Abseitsentscheidungen stand er etwas zu oft auf Kriegsfuß und bei einigen kniffligen Tacklings blieb die Pfeife stumm.

Dass die bis dato relativ ausgeglichene Veranstaltung schließlich in ungeahnter Dimension Richtung Gastgeber auspendelte, lag allerdings nicht am Referee, sondern an einem vorzüglichen Solokunstwerk von SVS-Joker Albijon Kryeziu (schlenzte den Ball perfekt zum 4:3 ins entgegengesetzte Eck), der daraufhin peu á peu eintretenden germanischen Resignation sowie einer unflätigen Reklamation Tammo Aties an die Adresse des Unparteiischen, der ihm sofort respektive folgerichtig die rote Karte unter die Nase hielt. Auch beim Abgang vom grünen Terrain bekleckerte sich der Schlussmann nicht mit Ruhm, was mit Sicherheit interne Konsequenzen zur Folge haben wird.

Der anschließende auch vom Fingerspitzengefühl des Schiedsrichters (kredenzte beim Stand von 8:3 eine sechsminütige Nachspielzeit, die in vier weiteren Peitschenhieben mündete) beeinflusste Spießrutenlauf verfinsterte eine über weite Strecken ansehnliche Darbietung des hochgradig abstiegsgefährdeten roten Laternenträgers, während St. Stephan die Aufstockung seiner imposanten Serie gegen den RSV genüsslich feiern konnte: Sechster Sieg en block bei einem Torverhältnis von 51:7 (!!).             

 

Aufstellung: Tammo Atie, Buth (75. Abdirisak), Al Hadid, Hadeed, Barati, Sidibe, Sabbagh (79. Jimenez), Sahibzada (61. Morris), Neziraj, Albouhuseinsray, Conrad 

Tore: 0:1 Albouhuseinsray 9. 1:1 Root 20. 2:1 Benchakhchakh 24. FE 3:1 Root 27. 3:2, 3:3 Conrad 33., 43. 4:3 Kryeziu 64. 5:3 Benchakhchakh 68. 6:3 Kryeziu 71. 7:3 Benchakhchakh 75. 8:3 Peljto 79. 9:3, 10:3 Abreha 90., 90. + 1 11:3 Peljto 90. + 4 12:3 Hammann 90. + 6

Besonderes: Rot Tammie Atie (RSV) 78.

 

Die Kreisliga C – Partie in Wixhausen wurde wegen des unbespielbaren TSG-Geläufs abgesagt. Drei Tage zuvor vergeigte das Zweitmannschaftsensemble seine Derbynachholverpflichtung beim TSV Eschollbrücken trotz einer 3:0-Führung (Hattrick Mortaza Hakeemi) mit 3:6. Nach dem deutlichen Rückstand fühlten sich die Gastgeber an der lokalen Ehre gepackt. Das vom routinierten Cochemer Terzett „Breakdancer“ Jens Rothermel, „Brasilianer“ Heinz Bartolowitsch und „Knappe“ Frederik Dillmann während der Halbzeit per Telefon angeordnete Wendemanöver warf den Rasensportverein letztendlich aus der Bahn. Am kommenden Sonntag (26.11.) empfängt die „Zwote“ ab 13Uhr Vornamensvetter Germania Eberstadt II.

Direkt danach (Kick-off 15Uhr) verabschiedet sich die blau-weiße Kreisliga A – Auswahl mit der Heimaufgabe gegen TSG Wixhausen bereits in die Winterpause. Nach einer fünfwöchigen Nonstoptournee über die auswärtigen Sportplätze kehren die Germanen ergo zum 2023-Fußballkehraus an den Grünen Steg zurück. Ein ähnliches Heimatgefühl dürfte vor rund 2500 Jahren den alten Recken Odysseus übermannt haben, als ihn die ewig lange Irrfahrt von Troja Richtung Ithaka endlich wieder in die Arme seiner geliebten Penelope spülte. Bleibt zu hoffen, dass sich der RSV ungeachtet aller Verlockungen nicht von einem eventuellen Sirenengesang bezirzen lässt und eine adäquate Revanche für die derbe 2:7-Hinspielpleite findet.